Das Viadukt von Millau – Serie: Mit dem Motorrad durch das Tal des Tarn (1/3)

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Quelle: Pixabay

Millau, Frankreich (RoadsRus). Am Südrand des französischen Zentralmassivs in der Region Languedoc-Roussilon-Midi-Pyrénée liegt Millau. Bekannt wurde der Ort, in dem heutzutage mehr als 20 000 Menschen leben, auch östlich des Rheins einem breiten Publikum durch das Straßenverkehrsprogramm mit jede Menge Staumeldungen im Radio. Bereist wurde Millau, das im Departement Aveyron liegt, in dem der gleichnamige Fluss in den Tarn mündet, vor ein paar Monaten. Von mir. Mit dem Motorrad.

Damals war vor allem der Personen- und Lastkraftwagen-Verkehr in halbwegs direkter Linie von Paris ans Mittelmeer die Hölle am Autofahrer-Himmel. Die Fahrt – sitzend und schwitzend am Lenkrad und doch stehend im Stau – durch Millau dauerte noch vor gut einem Dutzend Jahren durchaus zwei, drei Stunden. Doch seit das Tal des Tarn mit dem Viadukt von Millau quasi „überflogen“ wird, dauert die Reise selbst für Easy Rider weit weniger.

Bezahlten in Millau Traktierte früher mehr Geld für Sprit, Wein und Wasser, so müssen alle Benutzer des Viadukts von Millau heute Maut blechen. Auch in diesem Jahr wurde die Gebühr für den Gebrauch erhöht. Trotzdem wird wohl die Zahl der Fahrzeuge, die das Tal des Tarn bei Millau überqueren und die laut Betreiber 2015 bei 5 Millionen gelegen habe, erneut überschritten. Die Compagnie Eiffage du Viaduc de Millau darf sich über noch mehr Einnahmen freuen.

Von der Kapitalgesellschaft zurück zum Baukunstwerk und dessen Zahlen. 343 Meter ragen die Pfeiler der beeindruckenden Brücke in die Höhe. Sieben schlanke Stahlbetonpfeiler tragen die tonnenschwere Fahrbahn. 154 stabile Stahlseile tragen sie. Nach Jahren des Planens und Bauens wird die schlanke Brücke, über die 1993 ein Wettbewerb ausgeschrieben wurde, 2004 fertiggestellt. 125 Jahre soll die Brücke laut Verträgen halten. Mindestens. Doch das eine ist Papier, das andere eine Brücke, die Hege und Pflege oder besser Wartung braucht.

Eine Brücke, die den Elementen so lange standhalten kann, erfordert eine enorme Leistung. John Smeaton baute Leuchttürme aus Stein und verband die Steine mit einem damals neuen Material. Hydraulischer Kalkmörtel war die Lösung. Sand, Lehm, Stroh und Kalk waren die Zutaten dieses mächtigen Mörtels. Wirklich, Smeaton-Mörtel was wesentlich besser, vor allem fester. Er härtete schneller aus, vor allem unter Wasser. Smetons Mörtel wurde weiterentwickelt und ein moderner Beton entwickelt. Die Brücke von Millau bestehen aus 90 Kubikmeter Beton, dessen Stabilität als sehr hoch gilt, denn das Viadukt muss vor allem Turbolenzen und stärksten Wind trotzen. Das gelingt auch Dank einer guten Form.

Während man sich bei Smeaton das Wissen für den Beton holte, wurde bei Gilbert Roberts das Windschnittige abgeschaut. Entgegen den Flügeln eines Flugzeugs baute Roberts Brücken auf eine Weise, die das Gewicht nach unten drücken ließ. Der erste aerodynamische Brückenbau dieser Art wurde zwischen Wales und England fertiggestellt. Das war 1966. Für Millau wurde diese famose Form noch verbessert. 36 Tausend Tonnen wiegt das windschnittige Viadukt, dessen Deck stromlinienförmig mit leichter Neigung und ist sehr flach erscheint. Das alles reduziert die Windanfälligkeit des Kolossos von Millau, das höher als der Eiffelturm ist und dessen Segmente von beiden Seiten auf die Pfeiler geschoben wurden. Am Ende wurde die Brücke in der Mitte geschlossen.

© Münzenberg Medien, Foto: Stefan Pribnow, 2016
© Münzenberg Medien, Foto: Stefan Pribnow, 2016

Mit meiner Maschine, einer Tiger 800 XRT von Triumph, nutzte ich eine der 18 Spuren der Mautstelle und genoss die gemütliche Fahrt über die längste Schrägseilbrücke der Welt. Wer noch mehr Gemütlichkeit mitbringt, der möge den Rastplatz Aire de Viaduc de Millau nutzen und das Informationszentrum Millau Viaduct Information and Tours der Betreibergesellschaft unten an der D992 besuchen.

Für mich ging es nach dem an Pferdestärken starken „Vogelflug“ über das Tal des Tarn, das eines der tiefsten und zugleich breitesten Täler in Europa ist, runter nach Millau und rein in die Kleinstadt mit großer Geschichte über die Kelten hinaus bis in die Jungsteinzeit. Über Millau hinaus ragen vor allem der Beffroi, ein Wehr- und Wachturm aus mittelalterlicher Zeit, und die Türme der Kirche Notre-Dame-de-I’Espinasse, an der über mehrere Jahrhunderte gearbeitet wurde. Zuletzt wurde am im romanischen Stil erbauten Bethaus im vergangenen Jahrhundert Hand angelegt. Zur Zeit des Faschismus kamen Fresken in den Chor und zur Zeit der Fünften Französischen Republik Glasfenster ins Langhaus.

Die Menschen von Millau sind dieser Bauten zum Trotz nicht sonderlich wachsam, wehrhaft und gottesfürchtig. Leider sind sie dieser Tage auch nicht mehr so handwerklich begabt wie viele Vorfahren, die einst in den Betrieben der Bekleidungsindustrie arbeiteten. Millau galt lange als „Hauptstadt des Handschuhs“. Doch die Kleidungsstücke kommen mittlerweile in Massen aus den Fabriken in Fernost wie auch der Stoff, aus dem Gleitschirmflieger und Deltasegler sind. Vom Puncho d’Agast, der sich östlich 850 Meter über den Meeresspiegel erhebt, stürzen sich die wagemutigen Männer und Frauen mit diesen Fluggeräten hinab ins Tal des Tarn. Das ist nicht nur für Touristen ein tolles Schauspiel hoch am Himmel.

Für Zweiradfahrer mit oder ohne Motor gilt Millau, in dem sich einst auch Römer und Engländer aufhielten, zudem als ausgezeichneter Ausgangsort, um die eine Hand voll Kilometer stromaufwärts beginnenden Schluchten des Tarn zu erkunden. Darüber in Kürze und Teil 2 der Serie „Mit dem Motorrad durch das Tal des Tarn“ mehr.

Unterstützungshinweis:

 

Die Recherche wurde organisiert von Jochen Ehlers von Endurofun Tours und unterstützt von der Triumph Motorrad Deutschland GmbH, von der Detlev Louis Motorrad-Vertriebsgesellschaft mbH, vom Comité Département du Tourisme de la Lozère sowie dem Tourisme Aveyron.