Berlin, Deutschland (Roads’R’Us). Euro? Aktien? Gold? Oder gar Immobilien? Alles unsicher, mehr oder weniger, darum stecken nicht wenige ihre Ersparnisse in alte, rare, teure Vehikel, eben Oldtimer. Sie hoffen auf eine gewisse Wertsteigerung. Andere schätzen das ungewohnte Fahrgefühl ohne Navi, Einparkhilfe und Servolenkung. Wie auch immer, in der altehrwürdigen Industrie-Halle in Berlin-Lübars glänzt das, was vor Jahrzehnten die Straßen unsicher machte. Oftmals mit eingebauter Vorfahrt. Aston Martin, Bentley, Rolls Royce, Jaguar, usw. Zwischen all den alten Luxus-Karossen, mal stilvoll, mal protzig, zeigt auch ein kleiner VW-Käfer tapfer Flagge. Die Vehikel gehören allesamt Mitgliedern des Auto Classics Club Berlin (ACC). Ein wirklich geeigneter Ort für einen Vortrag zum Thema Auto. Es geht aber nicht um Nostalgie, sondern um Zukunftsfähigkeit. „Autoland Deutschland 2030. Die wunderbare Zukunft der deutschen Autoindustrie – oder?“, so das Thema, zu dem Unternehmensberater Christian Malorny sprach. Gastgeber an diesem Abend waren Ralf Limbach, Geschäftsführer des Auto Classics Club GmbH, sowie Robert Ummen, Geschäftsführer der Ummen Communications GmbH.
Malorny, vehementer Gegner eines Tempolimits, fordert einen industriepolitischen Schulterschluss, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hersteller zu erhalten. „BMW, Mercedes, Volkswagen und Co. müssen in Sachen E-Mobilität und Digitalität stärker zusammenarbeiten“, findet er. Geschehe das nicht, sei der Wohlstand am Standort Deutschland in Gefahr. Ab 2035 würden kaum noch Verbrenner mehr auf die Straßen kommen, so seine Prognose. Damit fasst er den umfangreichen Wandel zusammen, der die deutsche Automobilindustrie und ihre schon jetzt in Not geratenen Zulieferer vor gigantische Herausforderungen stelle. Die Mobilität von Morgen werde bestimmt von Elektromotoren, autonomem Fahren und der Digitalisierung des Verkehrs. Dieser Transformationsprozess erfordere ein grundlegendes Umdenken seitens der Auto- und Zulieferindustrie. Aber auch eine mobilitätsfördernde Politik.
Man müsse sich einer vollkommen neuen Industrie widmen, „die momentan entlang des Lebenszyklus der Fahrzeuge entsteht“, so Malorny. Daten, Datenanalytik, die dazugehörigen Algorithmen sowie Cloud-Technologien und IT-Übertragungsnetz seien dabei das „Gold von Morgen“. Der Traum der Tech-Industrie vom Auto als gesichtslose, autonom fahrende Plattform bedrohe indessen tausende Arbeitsplätze und damit den aktuellen Wohlstand in Deutschland. Die Abkehr vom Verbrennungsmotor bedeute, dass sich die zahlreichen mittelständischen Unternehmen in Deutschland, „die bis zu 4.000 Einzelteile für den Verbrenner und das Getriebe herstellen“, neue Geschäftsfelder suchen müssen. Eine Chance seien völlig neue Geschäftsmodelle mit datenbasierten Dienstleistungen für das Auto und seine Insassen. Es gelte, sich gegen Konkurrenten wie Tesla zu behaupten und ein digitales Premium-Produktverständnis Made in Germany zu entwickeln. Marken werden nicht verschwinden, weil wir die Eitelkeiten der Menschen nicht abstellen werden, meint er. Die Automobilindustrie muss es daher schaffen, auch in einer vernetzten Welt ein begehrenswertes Produkt zu entwickeln, „das den Spagat schafft zwischen physischem und digitalem Premiumerleben“, so Malorny weiter. Denn es sei allein das deutsche Know-how im Premium-Segment, das hohe Gewinnmargen erziele und einen entscheidenden Vorteil im weltweiten Showdown der Autoindustrie sichere. Das habe auch Tesla erkannt. Der Vorsprung der deutschen Autoindustrie im klassischen Fahrzeugbau und Qualitätsdenken habe das Unternehmen motiviert, sich in Brandenburg niederzulassen. Nun sei es an den deutschen Herstellern, von Teslas Digitalkompetenz zu lernen, ihre Stärke im Premiumsegment mit vernetzten Plattformen zu kombinieren und so ihre führende Rolle zu sichern. Dabei könnte es sinnvoll sein, alle Interessen in einem nationalen Mobilitätsrat zu bündeln.
Der Vortrag ist beendet, die Karossen verbreiten weiter ihren Glanz. Doch spätestens beim anschließenden Büffet herrscht pures Understatement. Statt Hummer und Co. gibt es belegte Brote.