Odenwald, Deutschland (RoadsRus). Schon einige Zeit habe ich die Wettervorhersagen und Apps im Auge um die ersten schönen Tage des Jahres auf dem Motorrad nicht zu verpassen. All die Ausschau, um die trüben Herbst- und Wintertage der letzten Monate abzustreifen und vergessen zu können. Einfach mal wieder Spaß auf zwei Rädern haben, den inneren Akku wieder neu beleben, das will ich. Mit diesen Gedanken im Kopf schaue ich an diesem Abend in das halb volle Bierglas vor mir und beschließe, am kommenden Morgen diesen Plan umzusetzen. Denn draußen grünt es bereits.
Ein kühler aber sonniger Morgen empfängt mich und lädt mich dazu ein, den alten Eintopf anzukicken und eine ausgedehnten Runde durch den Odenwald zu drehen. One Kick only heißt es immer und auch in diesem Fall benötigt es nach der langen Standzeit nur zwei mehr bis die alte Dame ihren Dienst aufnimmt. Ein letzter Blick auf das Wetterradar und los geht es mit vollem Tank.
Hinaus aus Groß-Umstadt dem nördlichen Zipfel des Odenwaldes mitten hinein in die ersten Kurven des Tages, die mich vorbei an der Feste Breuberg ins Mümlingtal bringen. Für den Ortsfremden ist hier der Weg hinauf zur Feste beinahe ein Pflichtprogramm, da sich diese Burg in einem außergewöhnlich guten Zustand befindet. Die SR und ich jedoch haben andere Pläne und folgen der kleinen L3259 in Richtung Lützelbach. Nach der Winterpause fühlt es sich gut an und klingt noch viel besser wie der Eintopf tief sonor durch die Täler blubbert und trotz leistungsmangel kraftvoll aus den Kurven hinauf zum Limesturm nach Vielbrunn schiebt. Am Turm stoppe ich zum ersten Mal, genießen den weiten Ausblick hinüber in den nahen Spessart. Ja die Römer, viel Energie steckten sie mit dem Bau des Limes in den Schutz ihres Weltreiches und konnten doch am Ende nicht verhindern das sie untergingen. Aber irgendwie müssen wir ihnen auch dankbar sein, denn viele verschlungene Sträßchen hier gehen auf ihre Zeit zurück.
Und die gilt es weiter zu entdecken, durch Vielbrunn hindurch mitten hinein ins Ohrenbachtal zum Beispiel. Einem engen aber kurvenreichen und stark bewaldeten Tal. Hier schleichen sich die Düfte des Waldes und der Felder durch das geöffnete Helmvisier in die Nase und erinnern an Frühling und den leicht torfigen Geruch des noch feuchten Waldbodens. Ein ums andere Mal kommt das fröhliche Kratzen des Fußrastennippels dazu, denn die Straße ist neu geteert. Im Kurvenswing folge ich dem schwarzen Band bis nach Weilbach und biegen dort auf die breit ausgebaute B469 ein. Kurze Zeit später stehe ich dann vor den Toren Amorbach, dessen altes Kloster weit über die Grenzen des Odenwaldes hinaus bekannt ist. Ebenso wie die schöne Altstadt dieses Ortes, die zum Besichtigen und speisen einlädt. Da der Tag noch jung ist begnüge ich mich heute allerdings mit einer reinen Durchfahrt und halten mich im Ort linker Hand Richtung Beuchen. Erneut beginnt der wilde Wedel bei mittlerweile gefühlten 20 Grand den Berg hinauf durchs griffige Kurvenlabyrinth bevor ich in den ruhigeren Part der Tour eintauche. Umgeben von der vollen Breitseite der Natur folgen wir ab hier den schottlandartigen Singletrackroads. Einem Gewirr von öffentlichen Straßen die nur zum Teil den Namen Straße verdienen. Dies wiederrum ist der Reiz des Ganzen, denn hier hat man Strecke, Natur und Aussicht mehr oder weniger für sich alleine.
Die Yamaha bügelt mit ihrer altertümlichen Federung die Unebenheiten nicht immer ganz platt, doch trotzdem gelangen wir zeitig zum mittäglichen Ziel der Tour, dem Katzenbuckel. Wie viele Buckel hier in der Gegend ist auch er ein erloschener Vulkan und zudem mit 626 Meter die höchste Erhebung des Odenwaldes. Außer mir sind heute nicht viele Besucher da und so parkt die SR in der ersten Reihe vor mir, während ich es mir auf der Terrasse der Turmschenke bequem gemacht habe. Im Sonnenschein überlege ich mir den weiteren Verlauf der Tour und wie ich den Rest des Tages verbringen werde. Zwei große Apfelschorlen und ein Mittagessen später, kicke ich erneut, mache mich oben auf dem Berg ganz klein, legen die Ohren an und kommen mit einem kleinen Umweg über Strümpfelbrunn, den Höllengrund und die Gaimühle in Eberbach an. Entlang des Neckars folge ich von da ab der parallel verlaufenden B37, die mich in weiten Bögen bis zur Neckarschleife nach Hirschhorn bringt. Über ihre einstmals durch die Stadtmauer begrenzten Gebiete lange herausgewachsen präsentiert sich der Stadtkern in seinem mittelalterlichen Flair. In engen Gassen locken Lokale, Bistros und Souvenirgeschäfte die zahlreichen Besucher an und die hoch oben auf dem Berg thronende Festung lädt mit einem weiten Blick ins Neckartal zur Visite ein.
Ich genießen den Ort direkt am Fluss ein wenig bevor es mich weiter vom Neckar weg zurück in die Tiefen des Odenwaldes zieht. Lang dauert es nicht, denn kurz hinter der Stadtgrenze biegt bereits die L3410 nach Kortelshütte rechts ab. Ihr folgen wir und kommen so zu einem der Highlights der gesamten Tour. Wenn ein Motorradfahrer im Mittelgebirge unterwegs ist, dann erfüllt diese 20 km lange und ebenfalls neu geteerte Strecke alle Wünsche und Hoffnungen die man so in seinem Hinterkopf haben kann. Sanfte bis extreme Kurvenradien, Wald und Freiflächen mit weitem Blick ins Herz des Odenwaldes, sowie die eine oder andere Gerade um das alles auch entspannt genießen zu können. Die noch nackten Mischwälder umrahmen heute diese mystische Szenerie. Mit der wärmenden Sonne im Rücken gelange ich auf diesem Wege nach Beerfelden, verweile einen Moment am berühmten Galgen der Stadt, bevor ich noch die Kurven des Sensbachtals und den vorderen Teil des Krähberges unter die Räder nehme. Das endet einige Zeit später in Hetzbach wo mich die B45 und dann die B460 zum Staubecken des Marbachstausees führen.
Ja, der berühmteste Motorradtreff des Odenwaldes, unter der Woche ist mittlerweile nur noch wenig los, was die Entscheidung leicht fallen lässt weiter zu fahren und ein Stück Kuchen im Cafe Marbachtal zu essen. Langsam wird es Zeit den Heimweg anzutreten denn die Sonne hat ihren Horizont schon lange überschritten. Durchs Mossautal folge ich linker Hand der Strecke ins Ostertal. Halte mich danach rechts und biege kurze Zeit später in die B38 in Richtung Reinheim ein. Auf ihr bleibe ich jedoch nicht lange denn es locket die Hutzwiese. Die richtige Bezeichnung dieses kurvigen Lindwurms ist B47 auf der der Single jetzt noch einmal zeigen kann was in ihm steckt. Bis hoch zu den Vierstöcken heißt das Kurvenspaß pur, bevor es gemächlicher über den Höhenzug wird und wir so nach Böllstein und schlussendlich nach Brensbach kommen. Der kleinen Ortsstraße folgend erreiche ich Höllerbach und treffe nach dem Abzweig Hummetroth noch einmal Mal auf die römische Geschichte der Gegend. Mit der Ausgrabung der Villa Haselburg zeigt man den Besuchern wie weit entwickelt doch die römische Kultur schon war. Zum letzten Mal für diesen Tag fahre ich in der bereits untergehenden Sonne einen kleinen Umweg über Schloss-Nauses nehmen die beiden 90-Grad-Kehren mit und gelangen über den Otzberg und die B45 zurück nach Groß-Umstadt.
Der Ort der Ausgang meiner heutigen Tour und zugleich meine Heimatstadt ist. Es lohnt sich eine oder zwei Nächte hier zu verbringen, denn neben seinem mediterranen Flair, seinen Restaurants und Bistros beheimatet es eben auch das Umstädter Brauhaus und bietet noch vieles mehr, wie auch der Rest unserer Gegend. An diesem Abend ist das Bierglas wieder halb voll, aber das innere Gefühl ist leichter, eben frühlingshaft und die Wetterapp sagt für morgen nur Gutes voraus.