Rühstädt, Prignitz, Brandenburg, Deutschland (RoadsRus). Was ein Reisemobil ist, das ist klar. Was aber ist Rühstädt? Nun, ganz so einfach ist es mit den Reisemobilen dann doch nicht und deswegen lege ich damit los. Richtig, Reisemobile sind keine Schiffe, weswegen „Leinen los“ kein Kommando ist, das man beim mobilen Reisen hören kann, obwohl manche Reisemobile wie Schlachtschiffe scheinen.
Reisemobile
Mit dünnem Beutel auf dicke Hose zu machen, das war und ist nicht einfach, weswegen die meisten Männer und fürderhin ein paar Frauen statt mit Schlachtschiffen aufzukreuzen vor allem mit Kleinbussen und Kastenwagen fahren und diese Kraftfahrzeuge auch fürs Camping nutzen.
Wer mehr wohnt als reist, sagt – salopp formuliert – Wohnmobil zu seinem Wagen, ähneln die meisten Reisemobile in der Regel doch Wohnwagen. Diese Wohnwagen wurden im Laufe der Jahre wie Marshmallows aufgeblasen und auf Gestelle von Lastkraftwagen gesetzt. Wer`s mag, aber diese dicken Wohlstandswampenwagen bitte nicht rösten wie die Fett machende Schaumzuckerware.
Wohnbusse hingegen machen sich leider schlank auf unseren Straßen, sind sehr selten geworden – wie Klapperstörche -, doch ab und an auf dem flachen Land – wozu die Elbtalauen zählen – als rollende Häuser mit Anhänger und echte Alternative zum Wohnmobil durchaus noch hier und da zu bewundern.
Das Gegenteil ist die Königsklasse der vollintegrierten Reisemobile, die man wie teilintegrierten Reisemobile und Alkoven in den Wonnemonaten auf asphaltieren Wegen in Massen antrifft und die oft am Straßenrand stehen wie Liebesmobile mit ihrem typischen Rotlicht.
Rühstädt
In Rühstädt ist das Am-Straßenrand-stehen nicht nötig, aber möglich, denn Rühstädt ist, auch wenn manche Menschen Stadt assoziieren, doch ein Dorf und zwar ein Dorf im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe in Brandenburg. Einige umgangssprachlich begabte wie mit Reisenden erfahrende Bewohner berichten, dass der Name von Ruhestätte stammen solle. Noch heute beherberge die Dorfkirche Gebeine des Uradelsgeschlechts Quizow aus der Mark Brandenburg, obwohl ein ganzes Dorf bei Perleberg den Namen Quitzow trägt und weitere Orte von dem einen oder anderen Quitzow gegründet wurden.
Wer also in Rühstädt campiert, der campt bei Knochen nah der kleinen Backsteinkirche und dem Schloss Rühstädt, in dem sich nicht nur Quitzows sondern auch Grumbkows und Jagows und andere Hoch- und Wohlgeborene bedienen ließen. Nach dem letzten Großkrieg in Europa wurden im Schloss Alte gepflegt. Und das war gut so. Bereits 1977 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt, aber erst nach 1989/90 renoviert und 1998 verkauft. Statt arme Alte oder alte Arme – ganz wie man will – wohnen heute keine armen Leute dort, sondern Leute mit der nötigen Zeit und dem nötigen Geld, die auf der Reise sind, denn das Schloss ist seit 2002 ein Hotel.
Klapperstörche
Heraus aus Rühstädt ragt noch ein weiteres Gebäude: der Wasserturm. Und auf dem Wasserturm sehen sowohl die Hotel-Gäste als auch die Reisenden auf Rädern endlich, warum Rühstädt so berühmt ist, denn dort „campieren“ Klapperstörche. „Nirgendwo in Deutschland“, erklärt mir Frau Dr. Heike Ellner vom Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg, „brüten so viele Störche wie in Rühstädt“. Das liegt offensichtlich an den Wiesen und Weiden, die das Land auf beiden Seiten der Elbe prägen. Überhaupt bietet hier die Elbe mit ihren naturnahen Auenlandschaften wertvollen Lebensraum für Meister Adebar und andere seltene Tier- und Pflanzenarten.
„Durch das Jahrtausende währende Wechselspiel von Ablagerung, Ausspülung, Austrocknung, Wiedervernässung und neuen Ablagerungen entstand ein reich gegliedertes Mosaik aus Mulden, Senken, Flutrinnen und unterschiedlich stark verlandeten Altarmen. Durch nacheiszeitliche Aufwehungen wuchsen die Binnendünen, wie die bei Quitzöbel und Klein Schmölen. Im UNESCO Biosphärenreservat kann der Besucher diese landschaftlichen Schätze entlang des letzten naturnahen Stroms in Deutschland noch erleben. Das Biosphärenreservat setzt sich für den Erhalt und die Verbesserung dieser Auendynamik ein. In Deutschlands größter Deichrückverlegung bei Lenzen wurden dem Fluss 420 ha Überflutungsfläche zurück gegeben.“
Trotz Unkalkulierbarkeit durch Hochwässer und oftmals nasser Füße für Mensch und Tier haben die Landwirte auf eine extensive Grünlandbewirtschaftung der Elbvorländer nie verzichten wollen. „Viele Unternehmen und Betriebe in der Biosphärenregion folgen der Idee des nachhaltigen Wirtschaftens: rücksichtsvoll gegenüber Mensch und Natur, energie- und ressourcenschonend und vielfältig eingebunden in regionale Kreisläufe“, teilt Oliver Krause, Sachgebiet Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung des Biosphärenreservats gegenüber WELTEXPRESS mit. Das alles und noch viel mehr geschieht, damit die Bewohner und Besucher, die in den Elbtalauen wie die Klapperstörche „Stille, Weite und Unberührtheit“ suchen, diese auch finden. Davon kann man sich um Rühstädt überzeugen und im Besucherzentraum Rühstädt im Biospährenservat, dass vom NABU betrieben wird, die Ausstellung „Weltenbummler Adebar“ ansehen. „Hier erfährt der Besucher täglich von April bis Ende September Wissenswertes über den Weißstorch und die Elbtalaue. Ins Besucherzentrum liefert eine Nestkamera Einblicke in das Geschehen im Storchenhorst auf dem Dach des Besucherzentrums. Der NABU bietet zudem jeden Mittwoch und auf Anfrage Führungen durchs Storchenland und das Dorf an, jeden Freitag geht es mit den Rangern der Naturwacht auf Storchenerkundung“, sagt Krause, die nach Anmeldung durch die Ausstellung und das Dorf Rühstädt führen. Der Höhepunkt des Tages sei der Storchenfeierabend, erzählt Oliver Krause. Mit Einbruch der Dämmerung würden alle Störche zurück zu ihren Nestern fliegen. Es gebe ein lautes Geklapper zur Begrüßung und ein letztes Mahl für die Jungen. Geklapper? In Rühstädt wird spätestens am Abend von Anfang Mai bis Mitte August klar, warum die Weißstörche Klapperstörche genannt werden. Zum Storchenfeierabend können die Besucher auch jeden Samstag Abend an einer Exkursion teilnehmen mit anschießenden Abendessen.
Veranstaltungshinweise und Touren finden Sie hier: www.elbe-brandenburg-biosphaerenreservat.de/erleben-lernen/termine-und-veranstaltungen
Campen
Nach einem ereignisreichen Tag in und um Rühstädt richten sich Reisemobilisten für die Nacht ein. Der Wohnmobilstellplatz „Parkplatz im Storchendorf“ neben dem Besucherzentrum bietet Stellplätze für bis zu sieben Reisemobile, die auch länger als acht Meter sein dürfen. Ein WC steht zur Verfügung und Hunde sind übrigens erlaubt.
Wenn Rühstädt richtig voll ist, dann bieten sich beispielsweise folgende kostenpflichtige Stellplätze in der näheren Umgebung an, die ich nach kurzem Kennenlernen empfehlen kann:
Kristall Kur- und Gradier-Therme, Am Kähling 1, 19336 Bad Wilsnack, Web: www.kristalltherme-bad-wilsnack.de. Die 80 Plätze (auch über 8 m Länge) sind beschildert und beleuchtet. Der Untergrund ist festen Schotter. Zwar ist die Therme gleich um die Ecke, aber auch eine Hochgeschwindigkeitsstrecke für sehr schnelle Eisenbahnen. Service: Strom (32 Anschlüsse), Wasser, Entsorgung, WC-Entsorgung (Typ: EVA), Hunde erlaubt, Dusch- und Sanitärhäuschen steht auf dem Stellplatz zur Verfügung, Brötchenservice über die Therme ab 8 Uhr.
Campinginsel Havelberg, H.I.T. GmbH Co. KG, Spülinsel 6, 39539 Hansestadt Havelberg, Web: www.campinginsel-havelberg.de. 22 Mobile (auch über 8 m Länge) vor der Schranke, 60 Mobile auf dem Campingplatz. Alle Plätze sind markiert, beschildert und beleuchtet. Der Untergrund ist Rasenschotter. Service: Strom, Wasser, Entsorgung, WC-Entsorgung, Hunde erlaubt.
Neue Mühle, Neue Mühle 3, 19348 Perleberg, Web: www.caravanhafen.de. 20 Stellplätze (auch über 8 m Länge) auf Schotterrasen sind gut und vor allem ruhig im Grünen sowie idyllisch an der Stepenitz gelegen. Service: Strom, Dusche, Wasser, Entsorgung, Chemie-WC-Entleerung, Hunde erlaubt.