Kurve um Kurve von Saint-Enimie bis Le Pont-de-Montvert – Serie: Mit dem Motorrad durch das Tal des Tarn (3/3)

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© 2016, Münzenberg Medien, Foto: Stefan Pribnow

Saint-Enimie, Florca, Le Pont-de-Montvert, Frankreich (RoadsRus). Nach einem guten Frühstück rücke ich aus, der Aufenthalt im Zwei-Sterne-Hotel Bolatis in Saint-Enimie, wo Motorräder in einer Tiefgarage stehe können, war angenehm, rauf mit Koffern und Rucksack auf eine Tiger 800 Triumph und die Tourismusstraße im Tal des Tarn flussaufwärts weiter vor.

Den beeindruckenden Nordhang des Causse Méjean bei Saint-Enimie lasse ich hinter mir. Auf der Route de Florac fahre ich weiter. Links der Straße, die den Titel D907BIS trägt, sind steile Hänge und Wände zum Greifen nah, rechts fließt der Tarn nur einen Steinwurf entfernt unter mir. Hinter Bäumen und Büschen glitzert das kalte Wasser in der schon morgens wärmenden Sommersonne. Wieder ist über mir weit und breit keine Wolke zu sehen.

Am Campingplatz Les Gorges du Tarn vorbei führt die Route de Florac über eine Brücke. Doch ich fahre weiter. Auch diese Straße führt nach Florac. Die erste große, langgestrecke Rechtskurve des Tages folgt, dann eine kürzere nach links. Wieder rechts herum und links herum, dann tauchen Häuser auf. Eine Straße windet sich in Serpentinen den Hang hoch.

Dieser Weg von Saint-Enimie zum Château de Castelbouc ist acht, neun Kilometer weit und in wenigen Minuten abgefahren. Doch es darf gerne länger dauern.

Château de Castelbouc

Blick über den Tarn auf Castelbouc. © Lozere Tourisme

Weitere Kurven und das Château de Castelbouc kommt in Sicht. Wieder bietet sich eine Gelegenheit und ich nehme mir Zeit für Rast und Ruhe, die ich der Maschine und mir an einer natursteinernen Hütte direkt an der Straße gönne. Unter sonnigem Rampenlicht liegen einige Häuser auf der anderen Seite des Flusses direkt über dem Tarn. Hinter ihnen ragen Felswände hoch. Andere ebenfalls aus Naturstein gebauten Häuser schmiegen sich an den nackten Fels. Eingerahmt wird das Château de Castelbouc in exponierter Lage auf einem Fels vom satten Grün der umstehenden Laub- und Nadelbäumen.

Wenn man der Straße ein Stück folgt, was ich alsbald tue, dann öffnet sich die Schlucht, wird breiter und bietet Platz für Weinberge. Wunderbar. Hier stehen nicht nur Rebstöcke, sondern auch ein paar Häuser. Und Schilder. Nach Castelbouc rechts abbiegen. Eine schmale asphaltierte Straße führt in Kurven runter zum Fluss, sogar durch einen Campingplatz. Im Schritttempo komme ich voran, erwidere Blicke von Urlaubern, die mehr das Motorrad als mich in Augenschein nehmen, grüße freundlich und schwups stehe ich erneut mit einem Rad im Tarn.
Eine kurze Erfrischung am Wasser, dann rollen die Reifen über eine kleine Brücke ohne Geländer, die über den Tarn bis Castelbouc führt. Links und rechts des Weges parken Automobile, am Fluss sitzen, picknicken und vergnügen sich Alt und Jung. Wenige Meter weiter ist auch für Motorradfahrer Schluss. Brav befolge ich das Straßenschild und steige von meinen Bock.
Zu Fuß gehe ich weiter und erkunde diese Felsenburg, die im gleichnamigen Dorf Castelbouc im Departement Lozère liegt. Die Burg Castelbouc ist heute eine Ruine, die als Burg erstmals im 12. Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung schriftlich erwähnt wurde, als sie sich im Eigentum von Etienne de Castelbouc, einem Vasallen von Elie de Montbrun befand, der wiederum Kommandant des Templerordens in Larzac war. Zum Ende des 16. Jhrdts., zur Zeit der Hugenottenkriege, wurde die Burg zerstört. Schöner ist die Geschichte, die sich Einheimische und Reisende erzählen, wenn es um die Namensgebung geht.

Laut Wikipedia sollen zur Zeit des Ersten Kreuzzuges Männer der Gegend in den Militärdienst getreten sein und die Heimat verlassen haben. „Einzig der Burgherr Raymond blieb zurück. Die Legende besagt, dass er in der Folge alle Frauen des Dorfes sexuell befriedigte und daraufhin vor Erschöpfung verstarb. Am darauffolgenden Abend sei sein Geist in Form eines Ziegenbocks (Französisch boucs) über die Burg geflogen sein“, heißt es in Wikipedia, die so zu ihrem Namen kam. Geile Sache, denke ich, trinke Wein von der anderen Seite des Flusses und esse Baguette mit Ziegenkäse.

Von Castelbouc geht es auf dem Tigerbock zurück zur D907BIS und auf dieser ein Dutzend Kilometer, Campingplätze und Kurven weiter bis Ispagnac. Nach einer Viertelstunde durch Orte wie Le Chambonnet und Molines, Kultur- und vor allem Naturlandschaften auf der Route des Gorges du Tarn bin ich in Ispagnac.

Ispagnac

Eine Ansicht vom alten Ispagnac. © Lozere Tourisme

In dieser Gemeinde, die in einem breiteren Tarntal-Abschnitt liegt, sollen bis zu 900 Menschen leben. Diese Gegend soll 800 Jahre vor unserer Zeitrechnung (vuZ) ein gallischer Stamm besiedelt haben, doch davon ist genau so wenig zu sehen wie von den Gemeindegründern. Römer solle es 50 Jahre vuZ gewesen sein. Allerdings würden in der Gegend gefundene Tongefäße und Münzen aus der gallo-römischen Zeit in einem Museum in Mende, eine Stadt, die etwas über 25 Kilometer nördlich von Ispagnac liegt, ausgestellt.

Weg von Römern und keltischen Stämmen, Galliern und Geschichte. Ich will nicht ins Museum, ich will mittags in Florac sein. Also verlasse ich das kleine, alte Städtchen und fahre zehn Kilometer weiter auf der D907BIS und N106, durch La Cantonnet und Faux, wo die Händer der Schlucht nicht mehr so steil sind und das Tal breiter, bis zum nächsten Etappenziel. Vor Faux beginnt die N106 parallel zur D907BIS zu verlaufen. Hinter Faux ist diese zu Ende und ich fahre auf der N106 weiter an Campingplätzen und Saint-Julien-du-Gourg vorbei nach Florac.

Florac

ein idyllischer Wasserlauf in Florac. © 2016, Münzenberg Medien, Foto/BU: Stefan Pribnow

Kurz vor Florac quere ich den Tarn, und fahren am Tarnon entlang, den ich wenig später auch quere.

Bei Florac mündet der Tarnon, ein linker Nebenfluß des Tarn, der in den Cevennen entspringt, in den Tarn. Während der Tarn das Causses Méjean im Norden und Westen begrenzt, schließt der Tarnon dieses größte und höchste aller französischen Hochplateaus des Zentralmassivs im Osten ab. Im Süden wird das 340 km² große Causses Méjean, das karg wirkt, steppenartig erscheint und dünn besiedelt ist, übrigens vom Jonte, der ein weiterer linker Nebenfluß des Tarn ist, begrenzt. Causse ist übrigens die französische Bezeichnung für Kalk-Hochebenen und diese hier, die Causses Méjean, die von der Unesco vor ein paar Jahren zum Weltkulturerbe erklärt wurde, ist wirklich weit und windig.

Die mitten im Nationalpark Cevennen liegende Stadt, in der knapp 2000 Einwohner leben, geht auf eine Benediktinerabtei zurück, die Mönche 1130 nuZ gründeten. Später wurde sogar eine Burg gebaut, die im 13. Jhdt. NuZ existierte, aber bald wieder zerstört. Immerhin steht das Schloss noch und die Pont de Barre, eine Kirche und jede Menge Menhire und Dolmen. Man möchte meinen, der Hinkelsteine tragende Obelix habe bis hierher geliefert. In Florac kreuzten sich einst die Wege vom Languedoc nach Gevaudan und drei Flüsse, weswegen Florac auch den Beinamen „Fleur des Eaux“ trägt. Neben Tarn und Tarnon wäre die Mimente zu nennen, die sich ihr eigenes Tal gegraben hat. Bei Florac sind die drei Flüsse wirklich wild.

Alle alten Häuser in Florca bestehen aus Natursteinen, viele sind allerdings verputzt. Sie sind oben mit Schiefer bedeckt, das von den Hügel südlich von Florac stammt. Unten geht alles seinen gemütlichen Gang, auch wenn im Sommer die Touristen kommen und die Zahl der Einwohner sich verdoppelt und verdreifacht. Die meisten, die tagsüber draußen sind, suchen unter Platanen und Cafés Schatten. Ich setze mich in eines der typischen Terassenlokale. Beine ausstrecken und einen Café Noir trinken. Was für eine Wohltat. Erholt und wach wandere ich durch die Straßen und Gassen von Florac. Nach einem Stadtspazierung, vorbei an Kirche und Schloss, setze ich mich erneut an einen Tisch, auf den Brot und Käse, Wasser und Wein gestellt werden. Mahlzeit. Ich sehe und esse mich satt. Und sinniere. Keine Frage: Florac, das Städtchen, eingebetet in einem Tal mit bewaldeten Hängen, bekommt durch einen vierten Fluss, den „la Source du Pêcher“, der in Kaskaden die gesamte Stadt zu durchziehen scheint, seinen besonderen Charakter.

Le Pont-de-Montvert

Die Brücke in Le Pont-de-Montvert über den Tarn. © Lozere Tourisme

Nach zwei Tagen gemütliche Fahrt, auch ins Gelände des Gorges du Tarn, links und rechts die Wände und Hänge hoch, kam ich am späten Nachmittag in Le Pont-de-Montvert an. Der Ort liegt in der sengenden Sonne des Südens wie ausgestorben da. Eine alte Frau schlendert über die Straße der 200 Einwohner zählenden Ortschaft, eine Katze liegt im Schatten, den die Natursteinhäusern bieten.

Weiter den Tarn hoch bis zur Quelle auf dem Hochplateu des Mont Lozère in den Cevennen will ich nicht, dieses Mal nicht, aber warum nicht ein anderes Mal.

Keine Frage: Florac ist ein guter Ausgangspunkt für den Parc National des Cévennes und den oberen Teil des Gorges du Tarn. Nebenbei bemerkt: Tanken in Saint-Enemie oder in Florac ist eher teuer.

Unterstützungshinweis:

Die Recherche wurde organisiert von Jochen Ehlers von Endurofun Tours und unterstützt von der Triumph Motorrad Deutschland GmbH, von der Detlev Louis Motorrad-Vertriebsgesellschaft mbH, vom Comité Département du Tourisme de la Lozère sowie dem Tourisme Aveyron.